Praxifall Steuern

Praxisfall Steuern

Eines unserer Mitgliedsunternehmen, die Schweiz AG, entwickelt ihre Produkte in der Schweiz, lässt sie aber in Asien herstellen und direkt an ihr Lager in Deutschland liefern. Die Ware hat als bei der Ankunft im Warenlager in Deutschland das Schweizer Hoheitsgebiet nie berührt.

Lösung:

Wie ist jetzt zu verfahren, wie ist die Rechnung zu stellen und die Mehrwehrsteuer auszuweisen, wenn

1. die Ware an einen Kunden in Deutschland ausgeliefert wird
2. die Ware an einen Kunden in einen anderen EU-Mitgliedsstaat (z.B. Frankreich) geliefert wird.
3. die Ware in einen EU-Nichtmitgliedstaat (z.B. Lichtenstein) geliefert wird
4. oder die Ware an einen Kunden in der Schweiz geht?

1. Lieferungen innerhalb Deutschlands, Sitz des Kunden in Deutschland

Erfolgt die Lieferung vom Lager in Deutschland an den Kunden in Deutschland, so erfolgt die Warenbewegung ausschliesslich im Inland - Deutschland. Der Lieferort ist in Deutschland. Eine steuerbefreite (Mehrwertsteuer) innergemeinschaftliche Lieferung liegt nicht vor, da die Ware keine EU-Binnenmarktgrenze überschreitet, sondern es sich um eine Inlandslieferung handelt. Diese ist in Deutschland umsatzsteuerpflichtig. Die Rechnung der Schweiz AG an den Kunden in Deutschland muss den deutschen Umsatzsteuervorschriften entsprechen und mit deutscher Umsatzsteuer unter Angabe der deutschen Umsatzsteueridentifikationsnummer erstellt werden.

Damit die Rechnungen den Anforderungen der deutschen Finanzverwaltung genügt, müssen folgende Formalitäten eingehalten werden:

  • vollständiger Name und vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
  • die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
  • das Ausstellungsdatum,
  • eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
  • Menge und handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
  • Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung oder der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern dieser Zeitpunkt feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung identisch ist,
  • das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist, 
  • den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
  • Für den Fall der Ausführung einer steuerpflichtigen Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG) oder der Ausführung einer sonstigen Leistung in Zusammenhang mit einem Grundstück: einen Hinweis auf die in § 14b Abs. 1 Satz 5 UStG geregelte Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers,
  • Für den Fall der Ausstellung einer Gutschrift: die ausdrückliche Angabe „Gutschrift“ im Beleg.

Bei Nichtvorliegen der formellen Voraussetzungen verweigert das Finanzamt den Vorsteuerabzug.

2. Lieferungen innerhalb der EU, Sitz des Kunden in der EU z.B. Frankreich

Die Ware kommt aus Asien und ist direkt nach Deutschland in das Warenlager geliefert worden.

Erfolgt die Lieferung vom Lager in Deutschland an einen Kunden mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat z.B. Frankreich, so handelt es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung. Die Lieferung kann umsatzsteuerbefreit ausgeführt werden. Die Schweiz AG muss unter der Umsatzsteueridentifikationsnummer des EU-Mitgliedstaates auftreten, in welchem die Beförderung der Ware beginnt, d.h. die Schweiz AG verwendet in diesem Fall die deutsche Umsatzsteueridentifikationsnummer. Sie muss mit dem Kunden vereinbaren, dass er die Kosten und die Gefahr der Beförderung übernimmt. Damit die Beförderung der Schweiz AG zugeordnet werden kann, muss sie das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung durch eine Gelangensbestätigung nachweisen, d.h. der Kunde muss den Erhalt der Ware nach bestimmten Formalien bestätigen.

Diese dient dazu, der deutschen Finanzverwaltung, die Überbringung der Ware in das Zielland in der EU zu dokumentieren. Der Kunde in der EU muss bestätigen, dass das Produkt in einen anderen EU-Mitgliedstaat gelangt ist und es sich bei dem Erwerber das Produkt um einen Unternehmer handelt, welches das Produkt für geschäftliche Zwecke bezogen hat. Die Gelangensbestätigung muss folgende Elemente aufweisen:

  • Name und Anschrift des Abnehmers
  • Menge und handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Waren
  • Ort und den Monat der Ankunft
  • Ausstellungsdatum der Bestätigung
  • Unterschrift des Abnehmers oder seines Beauftragten.

Zusätzlich muss der Abnehmer im EU-Mitgliedstaat ebenfalls Unternehmer sein. Der Erwerb der Ware muss beim Abnehmer umsatzsteuerlich erfasst werden. Der Abnehmer muss der Schweiz AG seine Umsatzsteueridentifikationsnummer übermitteln. In der Regel sollte die Gelangensbestätigung für zehn Jahre aufbewahrt werden.

Bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung muss die Rechnung zusätzliche Hinweise enthalten:

  • Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung
  • Umsatzsteueridentifikationsnummer
  • Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfänger

Die entsprechende Intrastatmeldung muss in diesem Zusammenhang im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Warenbewegung beim Bundesamt für Statistik abgegeben werden, wenn die Jahresmeldeschwelle in Höhe von 500.000 Euro überschritten wird. Wird das Produkt von einem Lieferanten in Deutschland in ein EU-Mitgliedstaat transportiert, muss grundsätzlich er die Meldung abgeben, da er die Versendung veranlasst hat.

Führt jedoch nicht die Schweiz AG selbst sondern ein deutscher Spediteur die Lieferung des Produkts aus Deutschland in einen EU-Mitgliedstaat steuerfrei innergemeinschaftlich aus, so muss er die zusammenfassende Meldung abgeben. Die Schweiz AG müsste die zusammenfassende Meldung abgeben, wenn sie selbst umsatzsteuerlich relevante Umsätze in Deutschland ausführen würde. Die zusammenfassende Meldung muss auf elektronischem Weg übermittelt werden.

3. Lieferung in einen EU-Nichtmitgliedsstaat z.B. Lichtenstein

Die Ware muss aus Deutschland ausgeführt und in Liechtenstein eingeführt werden. Lieferung ist in Liechtenstein steuerbar, da dort der Lieferort liegt. Wird die Ware direkt an den Liechtensteiner Kunden geliefert stellt die Schweiz AG an den Kunden in Liechtenstein eine Rechnung mit deutscher Umsatzsteueridentifikationsnummer aber ohne deutsche Umsatzsteuer. Als Ausfuhrlieferung ist die Lieferung von der deutschen Umsatzsteuer befreit.

Bei Ausfuhren aus der EU muss eine Extrastatmeldung abgegeben werden.

Als Voraussetzung für die Steuerfreiheit der Warenausfuhr, muss ein nachprüfbarer Buchnachweis geführt werden. Dieser muss folgende Daten enthalten:

  • Handelsübliche Bezeichnung, Fahrzeug-Identifikationsnummer und Menge des Liefergegenstandes,
  • Name und Anschrift des Abnehmers oder Auftraggebers,
  • Tag der Lieferung,
  • vereinbartes Entgelt,
  • Art und Umfang einer Bearbeitung oder Verarbeitung von der Ausfuhr,
  • die Ausfuhr,
  • falls die Ware von dem Unternehmer geliefert wird: die Beförderung oder Versendung durch den Unternehmer, selbst und
  • der Bestimmungsort.

Erscheint der Endabnehmer in Liechtenstein aufgrund der Incoterms als Importeur, so muss er die Liechtensteiner Mehrwertsteuer abführen.

4. Lieferung in die Schweiz

Hier handelt es sich um eine Ausfuhrlieferung, die von der deutschen Umsatzsteuer befreit ist. Lieferort ist die Schweiz und ist somit in der Schweiz steuerbar. Wird die Ware direkt an den Kunden in die Schweiz geliefert, wird die Rechnung von der Schweiz AG ohne deutsche Umsatzsteuer mit der deutschen Umsatzsteueridentifikationsnummer erstellt. 

Ferner ist bei der Ausfuhr eine Extrastatmeldung abzugeben und ein Buchnachweis zu führen. Tritt der Schweizer Kunde aufgrund der Incoterms als Endabnehmer auf, so muss er die 8% Schweizer Mehrwertsteuer abführen.